Lateinische Sprachrelikte
im bayerischen Dialekt

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  • Wo ist der deutsche Boden, auf dem sich mehr alte Wasserburgen und Bergschlösser, alte Türme und Brücken, mehr Ruinen und Kastelle aus keltischer und römischer Zeit, mehr alemannische und fränkische Grabhügel, mehr Straßen und Wege germanischen und vorrömischen Ursprungs, mehr Wohnhöhlen aus der Steinzeit, mehr Funde aus fast allen menschlichen Kulturepochen zusammengedrängt finden als im Altmühltal? Öfter als einmal hat die Forschung geglaubt, nach Spuren des Urmenschen und Urzeitjägers im Altmühltal fahnden zu sollen.

    Und erst recht die überall offen zutage tretenden geologische Schichtung des Jura! Gerade in und um Eichstätt hat der ehedem durchs Tal fließende Urstrom die Gebilde des Jurameeres durchsägt und angeschnitten. Zu Seiten des Rinnsals die hochragenden Felsendämme, die die Natur selbst geschaffen, wundervolles Zyklopengemäuer mit einem Steinverband, der Jahrmillionen standgehalten: bald in dünnen Platten, bald in kubischen Bänken von einer Mächtigkeit, wie sie nur ein Titanengeschlecht aufgetürmt haben kann.

    In verschwenderischer Fülle sind zwischen diese Erdschichten und Kalkplatten Versteinerungen und Fossile verstreut und werden unablässig zutage gefördert. Der berühmte Archäopterix im Berliner Museum für Naturkunde stammt aus Eichstätt. Allenthalben wachsen Buchenwälder auf den vielgestaltigen, seltsamen Felsen. Noch heute ist das Eichstätter Umland das natürliche Schutzgebiet des urdeutschen Laubwaldes.

    Inmitten dieser Umwelt steht eine menschliche Siedelung, die in wenigen Jahren das zwölfhundertjährige Bestehen feiern wird. Die Legionen der Römer hatten ein Netz von Militärstraßen und Kastellen über diese Zone am Limes gelegt, die sich ihren Operationen förmlich anzubieten schien. Den Römern folgen die Alemannen, die im Jahre 233 die Limeskastelle um Eichstätt in Asche legen. Mit dem Beginn des 6. Jahrhunderts dringen bajuwarische Siedler auch ins Altmühltal. Im 8. Jahrhundert wird "Eystet" ein Vorort der christlichen Mission, die wie das Wachstum der Stadt überhaupt mit dem Namen des Angelsachsen Willibald verknüpft ist, der 741 in Sulzenbrücken bei Erfurt von Wynfret zum ersten Bischof von Eichstätt geweiht wurde.Sei Bistum umschloß Franken, Schwaben und Bajuwaren, das deutsche Amt der neuen Gründung aber erfüllte sich in der Aufsaugung der noch zahlreich vorhandenen Slawensiedlungen im Bereich von Altmühl- und Rezatfranken.

    Der Dom bildet das älteste und ehrwürdigste Bauwerk auf Eichstätter Boden. Seine Baugeschichte umfaßt nahezu alle Jahrhunderte vom Willibaldinischen Querschiff (um 760) bis zur barocken Palastfassade von 1718. Glänzend prägen sich an seinem Baukörper die künstlerischen Eigenarten der Stämme aus, für die das Bistum gegründet worden war: Schwaben, Bayern und Franken haben ihn erbauen helfen, aber auch Schotten, Burgunder und Graubündener Meister haben ihre Kräfte an ihm gemessen. Der Grundriß ist schwäbisch: doppelchörig, Querhaus, Turmpaar (1060) im Osten, der Aufriß zeigt eine bayerische gotische Halle, begonnen 1350, vollendet mit dem Prunkportal von 1396, das den Tod Mariens darstellt. Der Willibaldschor im Westen trägt Züge rheinischer Frühgotik, durchaus begreiflich, da der Eichstätter Bischof jahrhundertelang das Kanzleramt der Kurfürsten von Mainz versah.

    Neben den Gebeinen des hl. Willibald, die in dem feingliedrigen Barockaltar von 1745 ruhen (wir verdanken ihn Matthias Seybold), ist die Steinmadonna des Siboto von Engelreut (1290) das älteste und kostbarste Stück der Dornkirche. Auch sie ist rhein-mainisch. Ihr gegenüber das Epitaph des Bischofs Wilhelm von Reichenau, das der Augsburger Hans Peuerlin in rotem Marmor schuf (1497). Wenige Schritte davon entfernt erhebt sich an der Ostseite des Baldachinaltares das reifste Werk von Peuerlins größtem Schüler, die monumentale Sitzfigur des Bistumsgründers aus dem Jahre 1514. Loy Hering ist ihr Schöpfer. Vielleicht das früheste Manifest deutscher Renaissance. Das Verdienst, ihn nach Eichstätt berufen zu haben, gebührt dem Fürstbischof Gabriel von Eyb (+ 1535), dessen Denkmal von der Hand desselben Meisters in der Eiszepfkapelle des Domes steht.

    Die weite gotische Halle des Domes, die in ihrem Wechsel zwischen runden und kantigen Pfeilern kein Gegenstück in Deutschland hat, birgt eine überfülle von Denkmälern aus allen Epochen deutscher Kunstübung. Indessen kann hier nur eine Auswahl geboten werden: der Hochaltar im Ostchor, in seiner Statuarik der glanzvollen Zeit um 1490 zugehörig, zeigt die Eichstätter hl. Sippe Willibald, Wunibald, Walburgis, Richard, geschart um die Madonna. Zum Kostbarsten, was deutsche Erzplastik geschaffen, zählen die beiden Wandgräber zu Seiten des Choraltares, sie gelten zwei Männern, die sich um Stadt und Hochstift aufs höchste verdient machten: Johann Konrad von Gemmingen, dem Erbauer der Willibaldsburg (+ 1612) und Marquard II., Schenk von Castell, und seinen beiden Neffen Johann Suchar und Franz Ludwig, die Eichstätt aus dem Schutt des Schwedenbrandes zur Stadt des Barock wandelten

    Das Gegenstück in Stein zum Schnitzwerk im Hohen Chor ist der Pappenheimer Altar im nördlichen Querschiff. Unübertrefflich charakterisiert er fränkischen Vertikalismus mit sprudelnder Lebendigkeit in der Schilderung der Kreuzigungsszene. Seine ...natur weist auf den (uns allerdings noch wenig faßbaren) Nürnberger Meister Veit Wirsperger. In seltsamem Kontrast dazu das altersgraue Schottenportal aus der Zeit um 1150 an der Straßenseite des Querhauses. Noch üppigeren Reichtum an Plastiken bewahren Kreuzgang und Mortuarium im Süden der Kathedrale. Bis ans Ende des 15. Jahrhunderts bauten die Werkleute des "thummeisters" Hanns Paur an der lichterfüllten, unvergleichlichen Halle. Die "grebnus" der Domherrn und des Stiftsadels. Indessen gemahnt sie mehr an eine mittelalterliche Ritterdürnitz denn an eine Totenlege: zwei Schiffe scheidet eine Reihe von Säulen, deren schönste die Stiftersäule von 1498. Glühende Farbenpracht ergießt sich durch die Glasfenster des Älteren Holbein in den wundersamen Raum: "Hier mag man ermessen, was Raumstille bedeutet..." Kreuzgang und Mortuarium sind wahre Museen der Steinplastik. Das Wolfersdorfepitaph, die Stücke aus der Hand Loy Herings, namentlich sein Kruzifix an der Südwand, kennzeichnen Höhepunkte deutscher Grabmalkunst.

    Aus dem Dämmer des Domes sind wir herausgeschritten in den Lichthof des Kreuzgangs. Weihevolle Stille umfängt uns. Wir blicken empor zu den hoheitsvollen Domtürmen aus der Zeit des Salierkaisers Heinrich III. Und unvergeßlich bleiben die steinernen Maßwerke edelster Gotik, die archaischen Köstlichkeit romanischer Säulen.

    Die Residenz.
    Sie darf als eine der schönsten Platzgestaltungen Deutschlands bezeichnet werden. Aus dem Ruinenfeld, das der Schwedenbrand von 1634 hinterlassen hatte, schuf der Graubündener Gabriel Gabrieli eine Anlage von festlichster Stimmung und erlesener Pracht. Vor ihm hatte Jakob Engel in den strengen Formen des Frühbarocks die fürstbischöfliche Residenz erbaut. Im 2. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts begann der vom markgräflichen Ansbach kommende, in Wien geschulte Gabrieli mit dem Bau der Kavalierhöfe und der fürstlichen Hofratskanzlei. Vornehmste Eleganz spricht aus den Schöpfungen des Hofbaudirektors, der wie kein anderer das Stadtbild beeinflußt hat. Sein Nachfolger im Amt, der Mailänder Moritz Pedetti, fügt 1777 die schlanke Mariensäule dem Residenzplatz ein, in köstlicher Pracht gestaltet er Stiegenhaus und Spiegelsaal des ehem. Bischofs-, hofes.

    Von diesem Platz aus regierten die Fürstbischöfe ein ganzes Fürstentwn mit sieben Städten (Greding, Beilngries, Berching, Spalt, Abenberg, Herrieden, Ornbau), 15 Marktflecken, 500 Dörfern und Weilern, ?? Burgen und Schlössern und ebensovielen Pfleg??tern. Sie alle tragen noch heute Züge der Residenzstadt an sich, die ihre besten Meister dorthin entsandte.

    Im Osten der Stadt erbaute Gabrieli die Rotunde von Notre Dame und die Sommerresidenz, vor der sich der Hofgarten mit Gloriette, Brunnen und Pavillons dehnt. (Der ehedem reiche Bestand an Gartenplastiken ist bis auf wenige Stücke verschwunden.) Die Kapuzinerkirche, ursprünglich das Schottenstift Hl. Kreuz - wenige Schritte vom Hofgarten entfernt - bewahrt Eichstätts größte archäologische Kostbarkeit, das hl. Grab von 1189. Noch heute weist sie das Bild der Grabeskirche auf, wie sie die Kreuzfahrer sahen. Einen großen Teil der Ostenvorstadt füllt der 1534 angelegte Ostengottesacker mit der Kreuzigungsgruppe von Loy Hering und seinem reichen Bestand an Denkmälern vom frühen Barock bis zum endenden Klassizismus. Dort auch die Grabmonumente Gabrielis und Pedettis.

    Das Porträt der Stadt
    hat wenig gemein mit der liebenswürdigen Kleinräumigkeit fränkischer und schwäbischer Reichsstädte. Weite, durchaus barocke Platzbilder geben der Residenzstadt an der Altmühl charakteristisches Gepräge der Leonrodsplatz etwa, den die mächtige Fassade der Schutzengelkirche überschattet, der alte Roßmarkt mit den ehemaligen Domherrnkurien und Bürgerhäusern, deren Kalkplattendächer die die Landschaft beherrschende Horizontale so getreulich widerspiegeln, der Marktplatz mit dem Willibaldsbrunnen des Jakob Engel. Der Turm des stattlichen Rathauses gemahnt an Südtiroler Städtebilder. Ganze Straßenzüge verdanken Gabrieli und seinem Bruder Franz ihre bauliche Erscheinung. Die beiden Marktgassen führen an die prächtige Barockfassade dir Dominikanerkirche St. Peter heran, deren Chor die Schlankheit der Hochgotik zeigt. Um sie herum hat sich ein Teil der Stadtummauerung erhalten mit Türmen und Wehrgraben.

    Die wirkungsvollste städtebauliche Entgegnung findet die steinerne Masse des Domes in dem ragenden, festungsmäßigen Block des Walburgisklosters, das 1035 gegründet wurde. Der Turm der Abteikirche gehört zu den originellsten und rassigsten, die der Barock erdacht, das Innere der uralten Wallfahrtskirche ist von strahlender Heiterkeit, der Nonnenchor bildet das Entzücken aller Freunde derKunst. Im Norden von St. Walburg grüßen uns vom Berghang wohlerhaltene Mauertürme des Mittelalters, der "Neue Weg" ob ihnen bietet köstliche Ausblicke auf Stadt, Burg und Landschaft.

    Die Willibaldsburg.
    Die Zerstörungen des vorigen Jahrhunderts haben die ältesten Bauteile zur Ruine gemacht, in den übrigen Bestand haben sie in barbarischer Weise eingegriffen. Von der mittelalterlichen Wehrburg hat sich wenig erhalten. Die erste Anlage auf dem Burgberge hatte Bischof Berthold von Hohenzollern (1354 bis 1365) geschaffen. Auch das Schloß des FürstBischofs Martin von Schaumberg aus der Zeit um 1570 ist bis auf die Dürnitz und Reste des Palas rschwunden. Den Bau des Konrad von Gmmingen stellte kein geringerer als Elias Holl; seit 1609 erhoben sich die gewaltigen Quadermauern in den gemessenen Formen Augsburgischer Renaissance, zwei mächtige Ecktürme flankieren die Hauptfront. Kupferne Zwiebeln krönten sie ehedem gleich denen des Augsburger Rathauses. Um das Schloß hatte der prachtliebende Fürst einen Botanischen Garten anlegen lassen. Mit den Gärten von Padua und Bologna, Leyden und Heidelberg gehörte er zu den ältesten und ersten Europas. Nach kaum 20jährigem Bestehen ist er im Schwedenbrand untergegangen.

    Noch heute ist die Willibaldsburg ein stolzes Herrenschloß voll majestätischer Größe, ihre Erscheinung ist fast zu einem europäischen Eigentum geworden. Unter den tausenden deutscher Burgen und Schlösser ist sie eine der persönlichsten und einmaligsten. Sie ist zum Wahrzeichen Eichstätts geworden, wahrhaft die Akropolis der Stadt. Der Gemmingenbau beherbergt heute die wertvollen Sammlungen des Historischen Vereins: Das Juramuseum mit prachtvollen Versteinerungen, die vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen, das Limesmuseum mit den römischen Ausgrabungen aus Pfünz und Nasenfels, das Lapidarium und die Lokalgeschichtliche Sammlung.

    Die Thingstätte.
    Seit dem Spätsommer des Jahres 1935 besitzt Eichstätt eine Thingstätte von köstlicher Eigenart, um die es ganz Deutschland beneiden mag. Im Angesicht der Burg ist sie entstanden, hoch über den Tälern, die den Berg umschließen. Alle schaffenden Hände der Stadt - der höchste Beamte neben dem einfachen Arbeiter - haben sie erbauen helfen, gemauert aus den Bruchsteinen des Juradolomits... In ihr grüßen wir das Symbol des neuen Reiches auf dem altehrwürdigen Boden unserer schönen Heimat. Vom Thingplatz aus genießt das Auge des Wanderers einen überwältigenden Rundblick auf Berge und Wälder. Und zu seinen Füßen zieht die Altmühl ihre müden Kreise, und in ihren dunklen Wassern spiegeln sich Kirche und Konventbau des ehemaligen Chorherrenstiftes Rebdorf, das der Hohenstaufe Friedrich Barbarossa gegründet.
    Dr. Theodor Neuhofer.

    Eichstätt die barocke Stadt im Jura, Landesverband Nordbayern mit Bayer. Ostmark 1936