Lateinische Sprachrelikte
im bayerischen Dialekt

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  • Fossa Carolina
  • Zur Tagung des Bayer. Kanal- und Schiffahrtvereins e. V. in Treuchtlingen 1931
    Die "Fossa Carolina" bei Treuchtlingen
  • Nach den Reichsannalen (Annales Laurissenses maiores) wollte im Jahre 793 Kaiser Karl der Große gegen die Ungarn zu Felde ziehen, gab aber wegen der Sachsengefahr an der Weser dieses Unternehmen auf und machte unter Verwendung seiner gesamten Kriegsmannschaft (cum omni comitatu ac magna hominum multitudine congregata) den Versuch, die Wasserscheide zwischen der Altmühl und der schwäbischen Rezat bei Treuchtlingen zu durchstechen und einen Schiffahrtskanal (fossa navium capax) von der Donau zum Main herzustellen. Den ganzen Herbst des genannten Jahres brachte der Kaiser mit dieser Arbeit zu. Zwischen den beiden Flüssen wurde ein Graben gezogen von 2000 Schritt Länge und 300 Fuß Breite. Aber die Arbeit führte zu keinem Ziel (erat in cassum), weil wegen des sumpfigen Untergrundes und starker Regengüsse der Erdaushub nicht Stand hielt (consistere non potuit). Was bei Tage ausgehoben wurde, rutschte während der Nacht wieder in die Baugrube zurück (quantum interdiu terrae a fossoribus fuerat egestum, tantum noctibus humo iterum in locum suum relabente subsidebat). Hiobsposten aus verschiedenen Gegenden, wie der Abfall der Sachsen und der Einbruch der Sarazenen in Gallien, veranlaßten den Kaiser, noch vor Weihnachten 793 nach Franken zurückzukehren, womit auch die Arbeiten an der "Fossa Carolina" ihr Ende fanden.

    Ueber den "Karlsgraben" oder die "Fossa Carolina" berichten noch zahlreiche andere Annalen. Einige hievon behaupten sogar, Kaiser Karl habe den Kanal mit einem seiner Schiffe durchfahren. Einige Jahrhunderte lang schweigen die Chroniken über das Unternehmen. Erst im 12. Jahrundert wird es wieder erwähnt. Hiebei traten erstmals die Ortsnamen Graben und Bubenheim auf. Zugleich schiebt sich die Sage ein: Das Werk wird als ein gegen Gott gerichtetes Unternehmen angesehen. In der Nacht wollte man heulende Stimmen und das Lärmen von Kobolden in der Fossa Carolina gehört haben. Zwischen 1200 und 1500 setzt wiederum die Ueberlieferung aus. Von da ab beschäftigen sich Historiker wie Aventin, Fries, Pirckheimer u. a. mit dem Karlsgraben. Auch Merian erwähnt in seiner "Topographia Franconiae" vom Jahre 1648, Kar1 der Große habe im Jahre 793 "von der Rednitz in die Altmühl zu graben anfangen lassen, damit man aus dem Rhein in den Main und die Rednitz und von dieser in die Altmühl und die Donau fahren könnte; aber durch ständige Regenfälle und Nässe der Erde sei er an der Durchführung des Werkes gehindert worden". Wisseschaftliche Arbeiten finden sich erst vom 18. Jahrhundert ab, beginnend mit bem Weißenburger Rektor Dr. Döderlein, der zum ersten Mal (1705) eine genauere Beschreibung der Oertlichkeit gab und sich auch mit der Wasserversorgung des geplanten Kanals (Ueberleitung des Schambachs beschäftigte.

    In der Folge entstand dann eine namhafte Literatur über die Fossa Carolina, insbesondere nachdem Napoleon I. den Kanalplan wieder aufgriff und ein Projekt ausarbeiten ließ, wobei ein Staubecken bei Weißenburg und die Überleleitung des Schambachs vorgesehen war. Nun traten auch die Techniker auf den Plan und erhoben Bedenken gegen die Ausführbarkeit des Werkes. Vor allem stieß man sich an dem großen Höhenunterschied zwischen der Altmühl und der schwäb. Rezat (ca. 10 Meter). Pechmann, der Erbauer des Ludwigskanals, meinte, die Altmühl müsste zur Zeit Karls des Großen erheblich höher gelegen sein, eine Ansicht, die Redenbacher Hinweis auf die im Altmühltal gemachten Funde aus der Römerzeit mit Erfolg bekämpfte. Richtig war, daß der Höhenunterschied nur durch Schleusenbauten oder einen fast bis Weißenburg reichenden (Einschnitt hätte überwunden werden können. Kammerschleusen kannte man zur seit Karls d. Gr. noch nicht, und eine weit unter das Grundbwasser reichende Erdarbeit, wie sie ohne Schleusen erforderlich gewesen wäre, konnte in der damaligen Zeit auch noch nicht bewältigt werden. So kam Bellingrath zu der Annahme, die Ueberreste bei Graben hätten überhaupt keinen Bezug auf einen Kanalbau und Zöpfl sah in den Resten Schanzwerke zu Kriegszwecken gegen östliche Völker oder eine große Entwässerungsanlage. Seyler endlich behauptete, die Fossa Carolina sei eine groß angelegte römische Entwässerungsanlage. Seyler endlich behauptete, die Fossa Carolina sein eine groß angelegte römische Pferdeschwemme gewesen und der Kanal Karls d. Gr. sei an einer ganz anderen Stelle, nämlich in der Gegend vom Wolframs-Eschenbach zu suchen. (Wasserscheide zwischen Altmühl und fränk. Rezat). Alle diese Angriffe auf die Fossa Carolina sind in dem für diese Forschungen zweifellos unentberlichen Werk von Dr. Beck eingehend behandelt und gründlich widerlegt. Beck hat den Ruhm Karl's d. Gr., den ersten Versuch zur Verbindung Rhein-Main-Donau gemacht zu haben gerettet.

    Man kann feststellen, daß zur Zeit Kar1s d. Gr. die Gegend von Graben als die beste Lage für einen Kanaldurchstich richtig erkannt wurde, wenigstens mußte diese Gegend für ein Gelingen des Werkes die günstigsten Voraussetzungen bieten. Die beiden Flüsse Altmühl und Rezat sind nur 2 Kilometer von einander entfernt, der Höhenunterschied beträgt nur ca. 8 Meter, bis zum höchsten Punkt der Einsattlung ca. 10 Meter. Die schwäbische Rezat ist allerdings ein kümmerliches Rinnsal, das erst bei Weißenburg die Gestalt eines Flüßchens zeigt. Es ist deshalb anzunehmen, daß man die geringe Wassermenge durch Ueberleitung des Schambachs aufbessern und den Graben durch Anstauung schiffbar machen wollte.

    Ueber die heute noch vorhandenen Reste schreibt Dr. Beck in einem über sein eingangs zitiertes Werk im Nürnberger Sonntagskurier" veröffenten Auszug folgendes:
    "Sie verlaufen halbmondförmig, 1/2 Kilometer nordwestlich von Dettenheim, am Feldweg beginnent, erheben sich die Ränder anfangs unmerklich über die Umgebung (östlich davon sind die nach Norden zu liegenden Reste vom Pflug leider fast völlig verwischt worden. Die Talsohle, anfangs etwa 30 Meter breit, wird von den bis zu 3 und 4 Meter aufsteigenden Dämmen eingefaßt. Nach ihrem gegen Westen gerichteten Verlauf biegen sie bei der Eisenbahnüberführung nach Südwesten ab und steigen bis 9 Meter an. An dieser höchsten Stelle hat sich der westliche Damm auf eine Strecke von etwa 30 Meter gesetzt und nach der Talsohle zu vorgeschoben, sodaß diese auf etwa 14 Meter verengert ist. Die zum größten Teil bewaldeten Dämme, die mehrfach leider durch Abtragen des wertvollen Tones im Laufe der letzten Jahrzehnte erheblich geschädigt worden sind, senken sich allmählich bis zum Dorfe Graben hin und und schließen gegen ihr Ende einen etwa 30 Meter langen, 1 bis 2 Meter tiefen Weiher ein, um vor dem Dorfe abzubrechen. Der Abfluß erfolgt neben der Dorfstraße zur Altmühl. Der Graben ist auf der Wasserscheide selbst 5 bis 6 Meter tief in das ursprüngliche Gelände eingeschnitten. Die ausgehobene Erde wurde seitlich angeworfen. Die heutige Sohle hat ein Gefälle von fast 4 Meter. Eine im Jahr 1910 vorgenommene Grabung ergab mit Sicherheit, daß die ursprüngliche Sohle mit ihrer Abflußrinne in einer Tiefe von 3,35 Meter unter der jetzigen Grabensohle zu suchen ist. Durch Regengüsse wurde vom Jura wie auch von der Böschung her die im Anfang unbewaldet zu denken ist, im Laufe der Zeit das Erdreich hereingeschoben. Nach dem Bericht von Pfarrbüchern wurde seit 1790 ein Viertel der Dämme zur Herstellung von Feldwegen abgetragen. Aus dem Jahre 1717 sind noch 3 übereinander liegende Weiher nachgewiesen, die übrigens im Jahre 1785 noch vorhanden gewesen sein sollen und allmählich einem einzigen Teich Platz machten. Die Dorfstraße wurde aus einem früheren Hohlweg, in dem die Wagen beim einfahren in die höher gelegenen Höfe häufig umfielen, "eingeebnet".

    Die Prüfung der in den Reichsannalen angegebenen Maße ergibt, das sie mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen. Die überlieferten 300 Fuß = rd. 84 Meter dürfen natürlich nicht, wie Seyler meint, als Sohlenbreite angenommen werden. Sie sind die Entfernung der beiden Dammkronen nach heutigem Ausmaß (s. das Querprofil). Die überlieferte Länge von 2000 Schritten = rd. 1500 Meter findet man, wenn man die heute noch nachweisbare Einschnittslänge von 1250 Meter bis zur Dorfkirche von Graben erstreckt. Beck sagt, daß man hiezu berechtigt sei, weil die ungewöhnlich breite, früher vertiefte Dorfstraße, die der Verlängerung der Grabenachse folgt, als Rest der ehemaligen Grabenanlage zu gelten habe. Faber kam auf Grund genauer Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß der Kanal ca. 13 1/2 Meter unter der ursprünglichen Geländehöhe hätte eingegraben werden müssen, um eine entsprechnde Wasserspiegelbreite zu erzielen; die weite Entfernung der Dammkronen sei darauf zurüchzuführen. Dies ist vollkommen richtig. Das untenstehende Querprofi[ zeigt, daß man bei Verlängerung der Dammböschungen bis zur Tiefe des Altmühlspiegels auf eine Kanalbreite von ca. 6 Meter kommt, welche für die alte Zeit als ungenügend anzusehen ist.

    Skizze Fossa Carolina 793

    Beck kommt zu dem Ende, daß die Überliegerung der Reichsannalen von 793 unbedingt Glauben verdient. Dazu kommt noch, daß der Ort Graben ein sehr hohes Alter hat und schon in einer Urkunde Ludwigs des Deutschen vom Jahre 867, also nur 74 Jahre nach 793, als "Groba" erwähnt wird. Daß der Ort einen derart charakteristischen Namen erhielt, weist darauf hin, daß in seiner Nähe auch ein außerordentliches Geschehen sich vollzog: der Versuch eines Schiffahrtsweges von der Donau zum Rhein. Daß dieser Versuch mißlang, tut dem Ruhme Karl's d. Gr. keinen Abbruch. Der große Gedanke lag vor. Ein Jahrtausend später erst wurde er - leider in unzureichender Weise - verwirklicht. Aufgabe unserer Zeit ist es, ihn in vollkommenster Weise zum Besten unseres Vaterlandes zur Durchführung zu bringen. Hiezu seien uns die ehrwürdigen Reste der Fossa Carolina ein Mahnmal!

    Stadtrat Huber Nürnberg.

    Buchdruckerei J. E. Leidel, Treuchtlingen