Quelle Donaukurier: Seite 13, DKNr. 22, Freitag, 27. Januar 2006 Von unserer Redakteurin Constanze Mauermayer
München (DK) „Du Letschnbene, wos machst denn hait fir a Gfrieß?“ Ein wunderbar lautmalerischer Satz über einen missmutigen Kerl, den leider keine zwei Prozent der Münchner Kinder mehr verstehen können. Auch auf dem Land sprechen Kinder und Jugendliche immer weniger Mundart. Radio, Fernsehen, Arbeitswelt: Dialekt gilt oft als hinterkünftig, primitiv und unzeitgemäß. „Die Mundart ist kein Manko“, schlug gestern Schulminister Siegfried Schneider (CSU) Alarm. „Sie ist eine Bereicherung.“ Einen Impuls zum Mundart sprechen soll den Kindern der neue Unterrichtsleitfaden „Dialekte in Bayern“ geben, den Schneider gestern in München vorstellte. In dem 220 Seiten starken Buch bekommen die Lehrer Anregungen, wie sie die Lust der Kinder auf den Gebrauch der schwäbischen, bairischen und fränkischen Mundarten wecken können. Zusammengestellt hat ihn das Institut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in Kooperation mit Dialektexperten der Universität Regensburg. Das Bayerische Fernsehen hat seine zehnteilige Serie „Dialekte in Bayern“ als DVD beigesteuert. „Ein wahres Schmankerl“, pries Schneider das Opus an. Doch dessen Verwendung an den 5000 bayerischen Schulen ist beileibe nicht verpflichtend. „Das liegt in der Eigenverantwortung der Lehrkraft“, meinte der Eichstätter. „Wir machen da keine Vorschriften.“ Schneider selbst hält den mundartlichen Unterricht zwar für eine „pädagogische Notwendigkeit“. Schließlich lege sogar die Bayerische Verfassung in Artikel 131 nahe: „Die Schüler sind in der Liebe zur bayerischen Heimat zu erziehen.“ Nach Ansicht des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte bleibt dieser Verfassungsauftrag aber immer mehr auf der Strecke. „In München ist derDialekt fast ausgestorben“, konstatiert Sepp Obermeier, Statthalter des Vereins in Niederbayern und der Oberpfalz. Längst wähnt er die Mundart in der „Sprachzange zwischen Nordsprech und Denglisch“. Obermeier meint resigniert: „Ich seh scho a weng schwarz.“ Backshop, Jobfloater, proppenvoll und Pustekuchen: „Des ist doch kabarettreif, wia d‘Leut in Minga redn.“ Das kann der Münchner Sprachwissenschaftler Bernhard Stör nur bestätigen:„As Baorische is koa Sprach für‘n Kartoffeacker oder gor fürs Scheißheisl. Des muas wiedaübaroi gredwern.“ Schön wär‘s. Aber soweit wird es nimmer kommen. Selbst wenn der Giesinger Franz Beckenbauer mit dem Satz „Schau mer mal, dann seng ma scho“ als Sprachbotschafter um die Welt tourt. Für Obermeier war es trotzdem ein kleiner Lichtblick, als jüngst sogar Sozialministerin Christa Stewens (CSU) für Mundart im Kindergarten warb. Im neuen Dialekt-Leitfaden sind ebenfalls Texte für die Kleinsten enthalten. Der Grund dafür liegt nicht nur im Bekenntnis zu mehr Heimatverbundenheit. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass sich eine frühe innere Mehrsprachigkeit positiv auf die Entwicklung des Sprachzentrums auswirkt. Stark Dialekt sprechende Kinder tun sich also beim Erlernen einer Fremdsprache nicht schwerer, sondern genau das Gegenteil ist derFall. Auch auf das Hochdeutsche wirkt sich Dialekt von Anfang an positiv aus: Sprachforscher der Universität Oldenburg haben unlängst 20 000 Schüleraufsätze unter die Lupe genommen. Mit dem Ergebnis, dass Dialektsprecher weniger Fehler in Aufsatz und Diktat machten. Sind Mundart sprechende Kinder also doch klüger? Nach der PISA-Studie wurde dies wegen des guten Abschneidens der bayerischen Schüler oft behauptet. Doch es ist, wie es ist, leider. Nix gwis woas ma net. Auch Schneider will sich da nicht weiter festlegen. Sicher ist er sich aber trotzdem: „Dialekt macht schlau.“